Die Begriffe Denken und Forschen sind fest im Hochschulkontext verankert. Das Machen und Umsetzen im Rahmen angewandter Wissenschaften ist auch unbestritten. Aber Fühlen? Ein neuer Fachbereich namens Esoterik? Oder Philosophie, um unser Sein zu erforschen? Nein, nichts dergleichen, denn (wissenschaftliches) Arbeiten ohne Gefühl führt zu nichts.
Wie Säulen tragen Sie uns durchs Leben – je nach Situation und Persönlichkeit mit unterschiedlichen Anteilen. Entfällt eine Säule oder wird sie zu schwach, wird es schwierig, sinnvoll zu forschen oder erfolgreich zu machen. Und weil an unserer Hochschule Bochum seit 50 Jahren ganzheitlich Persönlichkeiten ausgebildet werden, soll uns unser Jubiläumsmotto auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken lassen und uns gleichzeitig die künftige Richtung weisen. Denn bei aller Digitalisierung, gesellschaftlichem Wandel und den immer wichtiger werdenden nachhaltigen Prozessen: Unser Sein wird kreiert aus Intellekt, Tat UND Emotion.
Anlässlich des Auftakts zum 50. Jubiläum unserer Hochschule Bochum, dem Neujahrsempfang im Januar 2021, stellte der Wirtschaftspsychologe Prof. Dr. Nico Rose die Wichtigkeit des Fühlens in den Fokus – auch in der Wissenschaft, in der ja tendenziell eher die Begriffe Denken und Forschen eingängig sind. Denn Leidenschaft, Motivation und Ehrgeiz, aber auch Frust, Enttäuschung und Zweifel, also unser Fühlen, treiben uns an. Zu Höchstleistungen in der Forschung – auch wenn Misserfolge auf dem Weg zum Durchbruch auf der Tagesordnung stehen. Und zu gemeinsamen Erfolgen – wenn ein empathisches Miteinander Durchhänger aushalten lässt.
Hinter der Heterogenität der Menschen im Hochschulumfeld verbirgt sich eine Vielzahl von Aufgabenspektren, Charakteren, individuellen Zielen und Fähigkeiten. Hochschulangehörige sind ein buntes Völkchen aus Studierenden, Lehrenden, Forschenden und Mitarbeitenden aus Wissenschaft, Verwaltung und Technik. So unterschiedlich ihre Antriebe, ihre Ziele, ihre Werdegänge und Persönlichkeiten, ihr ganz eigenes Denken und Machen auch sein mögen – bei allen ist das Gefühl der Pegel, der darüber bestimmt, ob der persönliche, emotionale Status gerade gut oder schlecht, erfolgreich oder gescheitert, gesehen oder ignoriert lautet.
Da der Mensch nicht eindimensional, eben nicht ausschließlich MitarbeiterIn oder ProfessorIn oder StudentIn ist, ist die ganzheitliche Wahrnehmung seiner Person zu empfehlen. Nur dann kann jede/r auch im beruflichen, forschenden oder lernenden Umfeld seine Fähigkeiten voll entfalten. Rose verweist in seinen Arbeiten auf das Akronym PERMA, das auf den US-amerikanischen Psychologen Martin Seligmann zurückgeht und in der „Positiven Psychologie“ häufig verwendet wird. Die fünf Begriffe die sich hinter den einzelnen Buchstaben finden, sind im beruflichen und privaten Kontext zu sehen und zu gleichen Teilen Eigenverantwortung aber eben auch fest verwurzelt im Miteinander. Kurz und übersetzt: Positive Emotionen sind lebensnotwendig – Für die sind in Teilen wir selbst, aber auch unser Umfeld verantwortlich. Eigenes Engagement, das von anderen vielleicht sogar wertgeschätzt wird,ist elementar. Beziehungen zu anderen sind das wichtigste. Sinnhaftigkeit ist aus einem gelungenen Leben nicht wegzudenken. Erfolg entsteht u.a. durch das Treffen guter Entscheidungen.
Wenn das oberste Ziel für Studierende mit dem Lernen, der geistigen Entfaltung, dem Dranbleiben, Forschen und Erarbeiten beschrieben werden kann, und das der MitarbeiterInnen Zuverlässigkeit, Eigenverantwortung, die korrekte Erfüllung der im Leistungsverzeichnis abgebildeten Aufgaben darstellt, geht es bei Lehrenden und Forschenden um die Fähigkeit, den Lernenden Wurzeln zu benennen und Visionen zu entwickeln. Um die Prozesse des Miteinanders und die Vernetzungen einzelner Einrichtungen und Institutionen nachhaltiger zu gestalten – mit besseren Erfolgen und höherer Zufriedenheit – reicht es nicht, einfach länger zu arbeiten, intensiver zu forschen, mehr zu studieren.
Es bedarf also der Ausgewogenheit von Intellekt, Emotion und Tat – wobei der Emotion, wie oben beschrieben, eine große Rolle zukommt. Gesellschaftlich wird Emotionalität häufig mit Schwäche, Unberechenbarkeit, Impulsivität konnotiert. Doch sie ist viel mehr. Sie ist verantwortlich für die Fähigkeit kreativ oder sehr fokussiert zu sein. Sie beeinflusst unser Durchhaltevermögen, unseren Antrieb. Wenn man einen Blick auf unsere Hochschulphilosophie „Viele Persönlichkeiten. Zwei Standorte. Eine BO.“ wirft, so wird die Hochschule Bochum Nico Rose’s Herleitungen sehr gerecht. Die Hochschule Bochum besteht aus Persönlichkeiten, die mit ihren ganz individuellen Fähigkeiten, Ansprüchen und Herzensangelegenheiten andere Persönlichkeiten prägen – ganz gleich ob innerhalb des Kollegiums oder unter Studierenden. Dieses Zusammenspiel harmonisch, konstruktiv und wertschätzend auch in Zukunft zu optimieren, wird eine unserer Hauptherausforderungen sein.
Die Kampagnen-Porträts stellen genau dies in den Vordergrund. Geben die Namen der Fachbereiche Auskunft über Inhalte (Denken) und Projekte (Machen), so verleihen ihre lehrenden und forschenden Persönlichkeiten ihnen den eigentlichen Wert. Den Wert, der die Hochschule Bochum ausmacht – als Alma Mater und Arbeitgeberin, als Organisation und Partnerin.
Prof. Dr. Nico Rose ist Diplom-Psychologe und wurde an der EBS Business School, Wiesbaden, in BWL promoviert. Er hat ein Masterstudium in angewandter Positiver Psychologie abgeschlossen, hat acht Jahre für die Bertelsmann-Gruppe im Stab des Personalvorstands gearbeitet und ist jetzt Hochschullehrer an der International School of Management (ISM) in Dortmund.