Werkstatt des SolarCars der Hochschule Bochum. Hier trifft visionärer Erfindungsgeist auf fachliche Expertise, Experimentierfreude auf Siegessehnsucht und Spaß am interdisziplinären Arbeiten auf den Wunsch nach nachhaltiger Mobilität. Ende der 1990er-Jahre fing alles an, als ein paar Bochumer Hochschulstudierende für ihr Abschlusssemester nach England gingen, um an der London South Bank University in Großbritannien ein SolarCar zu bauen. Wieder zurück in Bochum, waren die praxisnahe Ausbildung sowie die Möglichkeit, die komplette Entwicklung zu erleben, für die Studierenden und ihren Mentor Prof. Friedbert Pautzke Anreiz genug, dies auch hier zu probieren.
Seit dieser Zeit hat sich der Fachbereich sehr weiterentwickelt. Er umfasst die Themen Elektrotechnik, Informatik, Nachhaltigkeit und Teile der Mechatronik. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit führte dazu, dass sich am Standort Bochum und seit 2009 auch am Standort Velbert/ Heiligenhaus eine große Vielfalt an Lehrgebieten und Projekten angesiedelt hat. Die Themenbreite geht von Künstlicher Intelligenz über die Einrichtung von Datenbanken, Robotik, autonomes Fahren, Leistungselektronik, Motorsteuerung, Batterietechnik bis hin zur Forschung und Lehre in intelligenten Mobilitätskonzepten.
Die interdisziplinäre und anwendungsorientierte Ausrichtung zeigt sich auch an der maßgeblichen Beteiligung des Fachbereichs an in der jüngsten Vergangenheit gegründeten Instituten wie z.B. dem „Institut für Industrie 4.0“ oder dem interdisziplinären „Institut Angewandte Künstliche Intelligenz und Data Science (AKIS) Ruhr“. Der Bezug zur Praxis und den Unternehmen der Regionen in Bochum und dem Bergischen Land liegt dem Fachbereich besonders am Herzen, weshalb das duale Studium eine wichtige Säule des Lehrangebots, besonders am Campus in Heiligenhaus, ist.
Prof. Dr.-Ing. Arno Bergmann
Studium der Elektrotechnik an der Ruhr-Universität Bochum (RUB), Master in Regelungstechnik an der Universität in Sheffield, Arbeit in der freien Wirtschaft und gleichzeitig Promotion an der RUB, seit 2013 Professur für Elektrotechnik und Modellbasierte Softwareentwicklung am Hochschul-Campus in Bochum, Lehrpreisträger 2017.
Prof. Dr. Jörg Frochte
Diplom-Studium der Mathematik und gleichzeitig Mathematik- und Physik-Studium auf Lehramt an der Universität-Gesamthochschule Essen, Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gymnasiallehrer während der Promotion und anschließend in der Softwareentwicklung bei der Firma dSPACE in Paderborn tätig. Seit 2010 Professur für angewandte Informatik und Mathematik an der Hochschule Bochum am Campus Velbert/Heiligenhaus und Mitbegründer der Bergischen Innovationsplattform für Künstliche Intelligenz und des AKIS.
Arno Bergmann: „Wenn Studierende mich fragen, wie man am besten seine Karriere plant, sage ich immer: „Ihr braucht dringend einen 5-Jahresplan.“ Den hatte ich immer! Und den habe ich zu keiner Zeit erfüllt. Ich wollte nie promovieren, niemals in den öffentlichen Dienst und niemals zurück an eine Hochschule. Und? Wo stehe ich jetzt? Dennoch bin ich der Überzeugung, dass solche Pläne wirklich wichtig sind – auch wenn man sie permanent umwirft. Mich hat bis heute der Anspruch meines ehemaligen Physiklehrers geprägt, die Dinge von innen heraus verstehen zu wollen. Die Relativitätstheorie zum Beispiel: Erklären können die viele – aber das grundlegende Konzept hinter dieser Theorie verstanden, haben nur die wenigsten. Meine Tochter erfährt als Schülerin nur zu oft die reine Vermittlung von Wissen anstatt von ganzheitlicher, durchdringender Kompetenz.
Die größte Herausforderung und gleichzeitig eine der wichtigsten Grundlagen für beruflichen und persönlichen Erfolg ist es, Dinge wirklich fertig zu machen, sie mit gutem Ergebnis zu beenden. Völlig egal, ob das ein Kochkurs ist oder Sport, ganz gleich ob Elektrotechnik oder Mechatronik. Vorhaben wie eine Prüfung, ein Schein oder ein Projekt, sollten mit einer intrinsischen Motivation heraus wirklich beendet werden – auch wenn es manchmal Durststrecken gibt und aufzugeben eine bessere Option zu sein scheint. Damit haben heute viele Studierende zu kämpfen – aber wir geben unser Bestes, um sie zu unterstützen und sie zwischenzeitlich aufzufangen, damit sie wieder Kraft und Mut sammeln. Dieser Moment, in dem einer Studentin/einem Studenten bewusst wird, etwas in seiner ganzen Tiefe verstanden zu haben ist hoch emotional. Ebenso die Motivation, sich durch ein Thema durchzubeißen, dran zu bleiben oder es anders zu probieren – durch diese Gefühle werden wir angetrieben.
Wir lehren und forschen hier an zwei Standorten, an denen wir in Kooperation mit einer Vielzahl an Wirtschaftsunternehmen eine ganzheitliche und in der Anwendung perfektionierte Lehre anbieten. Unsere Projekte SolarCar, SolarBuggy und viele mehr sprechen für sich, hier kann man richtig was lernen mit größtem Spaßfaktor und einer Riesenauswahl an Interessensgebieten. Unsere Absolventen sind bei unseren Industriepartnern immer sehr willkommen – ebenso wie an den Universitäten. Am meisten freuen wir uns, wenn sie uns nach ihrem Bachelor auch zum Master und seit neuestem auch während der Promotion erhalten bleiben und vielleicht, nach einiger praktischer Erfahrung, als Lehrende wieder zurückkommen.“
„I Can Explain It to You – But I Can’t Understand It for You“
Aufdruck auf einem von Jörg Frochtes T-Shirts
Jörg Frochte: „Nach der Schule wusste ich maximal, was ich nicht tun wollte. Informatik fand ich zwar ganz gut, Sozialwissenschaften aber auch. Lehrer zu werden war ebenfalls eine Idee. Es wurde schließlich Informatik, Mathe und Physik – durchgängig mit einem Bein im Lehramt, selbst während meiner Promotion. Im Endeffekt ist es dabei geblieben: Eine Mischung aus Sozialarbeit (und das meine ich nicht negativ!), Informatik und Lehrersein – nur eben am Hochschul-Campus Velbert/Heiligenhaus.
Das Schlimmste war und ist für mich das Auswendiglernen. Ich habe mir schon immer lieber Strukturen und Ideen angesehen und herausgefunden, warum bestimmte Dinge funktionieren, welche Dinge man übertragen und realisieren, wie die Verankerung aus Theorie und Praxis funktionieren kann. Daher sehe ich die größte Herausforderung in unserem Job darin, mit beiden Füßen tief im Boden verwurzelt zu sein und gleichzeitig mit dem Kopf hoch oben in den Wolken zu stecken. Und das gilt für alle Studierenden, ganz gleich, aus welchem Umfeld sie kommen. Es sind nie Begabung, Talent oder Schlauheit allein, die zu einem erfolgreichen Abschluss führen – echte Motivation und Willenskraft können locker Defizite ausgleichen – wenn man es denn wirklich will. Ich habe mich früher zu Studienzeiten freitags, wenn wir feiern waren, immer als Fahrer zur Verfügung gestellt. Nicht weil ich keinen Alkohol mochte – aber ich wäre sonst samstags für die Übungsaufgaben nicht fit gewesen. Also: Diese Entscheidungen liegen bei jedem Einzelnen selbst.
Zwei Visionen habe ich zurzeit: Ich möchte meine fachliche Expertise im Bereich der Künstlichen Intelligenz für die Realisierung einer guten Sache einsetzen. Ein Kollege in Neuseeland hilft durch maschinelles Lernen, in einem staatlich geförderten Projekt Kiwis (die Vögel) zu retten. Das ist wirklich sinnvoll und nimmt auch junge Menschen wie meinen Sohn, die sich für Artenschutz begeistern, sofort mit. Und: Ich möchte auch die KI spielerisch nutzen, um ein Computerspiel zu programmieren, das richtig schöne Geschichten erzählt, das eben nicht nur die gleichen, vorgegebenen Antworten ausspuckt, sondern zu echter kommunikativer Interaktion fähig ist. Ist irgendwie ein Traum aus meiner Jugendzeit und da bleibe ich dran.“
„I Can Explain It to You – But I Can’t Understand It for You“
Aufdruck auf einem von Jörg Frochtes T-Shirts
„Going in one more round when you don’t think you can, that’s what makes all the difference in your life.” (Rocky Balboa)
Lieblingszitat von Arno Bergmann
Oben: Behind-the-scenes beim Shooting im November 2020; Headermotiv: Labor für Antriebstechnik, Mathematik, Software am Campus Bochum
Fotos: Klaus J. A. Mellenthin