Werkzeuge für Menschen
Ob Steinzeit, Antike oder Moderne – Menschen nutzen seit jeher Werkzeuge, die das Leben erleichtern. Was mit einem Faustkeil begann, entwickelte sich über experimentelle Flugapparate von Leonardo da Vinci hin zum institutionalisierten Maschinenbau während der Industrialisierung. Bald hielten Computer Einzug in Industrieunternehmen. Damals noch ohne Word, dafür aber mit viel Potenzial für Programmierer. Man begann Daten und Signale automatisch zu erfassen, auszuwerten und in Kräfte und Bewegungen umzusetzen – die Geburtsstunde der Mechatronik.
1971 erhielt die Ingenieurwelt im Ruhrgebiet einen neuen Motor: Aus der „Staatlichen Ingenieurschule für Maschinenwesen Bochum“ ging die Fachhochschule Bochum hervor. Ein aktuelles Lehrkonzept für die Bedürfnisse einer Fachhochschule wurde erstellt und neue Lehrkräfte eingestellt.
Mathematiker und Informatiker kehrten Technologieunternehmen sowie Bundesbehörden den Rücken, um den Fachhochschülerinnen und -schülern Algorithmen und Datenverarbeitung beizubringen. Zwei Jahrzehnte später führte die BO als erste Hochschule deutschlandweit den eigenständigen Diplom-Studiengang Mechatronik ein und erweiterte ihr Lehrangebot. Mittlerweile gehören neben Algorithmen auch Robotics, digitale Produktion, die additive Fertigung wie 3D-Druck oder Smart Production zu den Schwerpunktthemen der Studierenden.
ENTWICKLUNG
Mehr als Automobile: „Wo vorher ein Vergasermotor qualmte, wird heute alles elektronisch gesteuert. Die Zeiten, in denen ein Schraubenzieher allein Probleme lösen konnte, sind vorbei. Es werden Informatikkenntnisse gebraucht, die immer weniger mit dem ursprünglichen Maschinenbau zu tun haben. Und nicht nur die Automobilindustrie hat sich dank Elektromobilität und autonomen Fahren verändert. Innerhalb der Industrieunternehmen haben sich verschiedene neue Einsatzbereiche für Maschinenbauer und Mechatroniker entwickelt, wie die KI-Datensammlung. Flugzeugtriebwerke oder Melkfabriken erheben jetzt schon eigenständig Daten und auch Serviceroboter sammeln immer mehr Informationen in unserem direkten Umfeld. Es ist also wirklich spannend, so unmittelbar an den Entwicklungen für die Zukunft beteiligt zu sein.“
PROBLEMBASIERT
Auf der Suche nach der Lösung: „Wir Professoren verstehen uns als Erfahrungsgeber. Das spiegelt sich auch in unserer Lehre wider, die durch das Problem Based Learning geprägt ist. Wir gestehen unseren Studierenden zu, selbst Projekte zu bearbeiten und auf die Lösung eines Problems zu kommen. Dann fangen unsere Studierenden richtig Feuer. Sie beginnen, skeptisch zu hinterfragen, übernehmen viel mehr Eigenverantwortung und arbeiten wissenschaftlich. Dadurch merken sie, dass ein Taschenrechner nicht bei allem helfen kann – und soll.“
ENTREPRENEURSHIP
Von der Ingenieur- zur Start-up-Schmiede: „Unser Fachbereich ist immer am Puls der Zeit was Industrie- und Produktentwicklungen angeht. Einige konstruktive Projekte aus dem Studium haben eine herausragende Eigendynamik entwickelt. So ist zum Beispiel das Entwicklungs- und Testzentrum für Leistungselektronik und Energiespeicher wie Kfz-Akkus von zwei ehemaligen Studenten der Hochschule gegründet worden. Diese zukunftsorientierte Kreativität fördern wir, indem wir flexible Fachmodule anbieten. Studierende entscheiden durch ihre Wahl
mit, was gelehrt werden soll. So berücksichtigen wir nicht nur die Interessen der Studierenden, sondern können auch Trends erahnen und ihnen in Projekten nachgehen.“
IDEENGEBER
Balance für die Zukunft: „Die Hochschule war schon früh eine Treiberin der Region: 1993 führte sie den Studiengang Mechatronik ein – als erste Fachhochschule bundesweit. Diese Vorreiterposition wollen wir gemeinsam bewahren. Das geht, indem wir uns als Ideengeber für die Industrie verstehen und für technische Entwicklungen, die mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit vereinbar sind, einstehen. Beim Umweltschutz geht es nämlich nicht um Verbote, sondern vielmehr um einen offenen Umgang, um neue Anwendungsgebiete moderner Technologien. Gleichzeitig dürfen wir uns nicht zu sehr abhängig von der Industrie machen. Diese Balance ist wichtig, um unseren Studierenden spannende Forschungsprojekte und eine erstklassige Lehre bieten zu können.“
Menschliche Vielfalt
Gender and Diverse Robotics, 2005, Dr.-Ing. Andrea Dederichs-Koch
Ein Geräusch, eine Bewegung und Roboter reagieren: Wie sie das tun, hängt aber auch davon ab, wer sie programmiert hat. Das fand das Projekt „Gender and Diverse Robotics“ in Unterrichtsbesuchen ab der vierten Klasse, in AGs und in der Oberstufe heraus.
Seit 2005 werden Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Projektes an die Robotik herangeführt und lernen selbst, einen Roboter zu bauen, ihn zu programmieren oder mit einem humanoiden Roboter zu interagieren. Durch die spielerische Auseinandersetzung mit der interaktiven Robotik werden neues Wissen erworben, neue Fertigkeiten und Fähigkeiten entwickelt und neue Talente entdeckt, die frühzeitig in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützt werden können. Dies zeigt auch ein Pilotprojekt mit autistischen Jugendlichen. Die Projektidee fand auch Einzug ins Studium und wurde in viele Entwicklungsprojekte oder studentische Abschlussarbeiten integriert. Ein Highlight – auch für Studierende aus anderen Bereichen – ist der interdisziplinäre Kurs „Technik der Mensch-Maschine-Interaktion“: Während hier Kursteilnehmerinnen meist die Interaktion mit einem Roboter besonders faszinierend finden, loten ihre männlichen Kollegen eher die Grenzen der Technik aus. Wird also die bisher eher männlich dominierte Robotik-Domäne mithilfe Gender- und Diversity-Aspekten aufgebrochen, kann diese Vielfalt in den Laboren zu neuen Technologien führen, die auf die Bedürfnisse von komplexen, vielfältigen Nutzergruppen besser eingehen.
Innovative Mobilität
Cargo Pedelec, 2015, Prof. Dr.-Ing. Günter Lützig
Kaum Verkehrsstau und weniger CO2-Emissionen – das ist das Ziel von 40 Studierenden, die seit 2015 den perfekten Kompromiss aus Lastenrad und Elektroauto suchen und sogar die Basis für ein Start-up legten. In dem studentisch geführten Projekt entwickeln und bauen sie eigenständig Lasten- und Familienräder mit geschlossener Karosserie,immer unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten. Mittlerweile bilden die elektrisch angetriebenen Fahrzeuge einen beachtlichen Fuhrpark mit fünf Modellen. Das nächste steht bereits in den Startlöchern: eelo3. Es soll mit bis zu 100 Kilometern Reichweite als Pendler-Fahrzeug dienen. Ein innovatives Beispiel für leichte Elektromobilität, dessen Anfänge in den Fachbereichen Elektrotechnik und Informatik sowie Maschinenbau und Mechatronik liegen. Mittlerweile hat sich der Kreis erweitert, sodass sich ein interdisziplinäres Team mit Zuwachs aus den Studiengängen Wirtschaft, Nachhaltige Entwicklung, Angewandte Nachhaltigkeit, Architektur und der Geodäsie entwickeln konnte.
Assistierende Roboter
Sicherere Automatisierungstechnik für den demographischen Wandel, 2016, Prof. Dr.-Ing. Daniel Schilberg
Die Mehrheit der Menschen möchte in den eigenen vier Wänden altern. Das Problem: Die Räume sind nicht altersgerecht gebaut oder eine Pflege rund um die Uhr kann nicht gewährleistet werden. Hier könnten Assistenz-Roboter Abhilfe schaffen.
In dem Projekt wird untersucht, wie solche Roboter gebaut, programmiert und verknüpft werden müssen, um einen sicheren Beitrag für den demographischen Wandel zu leisten. Dabei spielen viele Fragen eine Rolle, die besonders bei dem Gebrauch durch Seniorinnen und Senioren aufkommen: Wie schaltet man die Roboter im Notfall aus – per Knopf am Gerät oder Fernbedienung? Wie muss die nonverbale Kommunikation eines Roboters sein, um einem älteren Menschen die Intention seiner Bewegung deutlich zu machen und ihn nicht zu verunsichern? Auf diese Fragen werden Antworten mithilfe von sechs Robotern und in Experimenten mit Studierenden gesucht. Dass das Endergebnis des Projektes ein menschliches Abbild wird, bleibt fraglich. Denn allein zwei Beine für die Fortbewegung sind technisch gesehen sehr hohe Energiefresser, die sich ein Assistenzroboter nicht leisten kann.