Er war Deutschlands erster Professor für Elektromobilität, ist Initiator zahlreicher nachhaltiger Industrieprojekte und der erste Studiengangsleiter der „Nachhaltigen Entwicklung“ an der Hochschule Bochum: Prof. Dr.-Ing. Friedbert Pautzke spricht im Interview über Erfolgsgeheimnisse, persönliche Lehrstunden und Ziele für die nächsten Jahre.
Als im Jahr 2015 die Agenda 2030 verabschiedet wurde,
war die Hochschule Bochum schon mit ihrem Nachhaltigkeitsstudiengang am Start. Wie kam’s?
Pautzke: Die Hochschule Bochum ist generell sehr innovativ und erkennt gesellschaftliche Strömungen früh. Man kann hier schon seit 1990 Mechatronik studieren, damit war die HS Bochum die erste deutsche Hochschule! Im Jahr 2010 haben wir angefangen, uns um die Integration des Themas Nachhaltigkeit in die Lehre zu kümmern. Den Anstoß gab das Präsidium unter Martin Sternberg und 2012 habe ich mich bereit erklärt, die Studiengänge zu etablieren.
Sie gelten als Pionier in Sachen Nachhaltigkeit an der Hochschule Bochum. Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Pautzke: Ich kann mich noch erinnern: Ich war 15, als mir meine Eltern das Buch „Ein Planet wird geplündert“ von
Herbert Gruhl schenkten. Das hat mich ziemlich beeindruckt. Als Schüler hat man mir dann erzählt, Windenergie
könne sich nicht durchsetzen, im Studium habe ich gehört, Solarenergie sei nicht zukunftsfähig. Das konnte und wollte
ich nicht glauben.
Als der Studiengang „Nachhaltige Entwicklung“ etabliert wurde, war das Nachhaltigkeitsdreieck aus Sozialem,
Umwelt und Wirtschaft Grundlage für die Definition von Nachhaltigkeit. Mittlerweile fußt die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie auf der Agenda 2030 mit 17 Zielen und 169 Unterzielen. Ist das nicht eine enorme Weitung des Blicks?
Pautzke: Nein, vielmehr eine Konkretisierung! Ziele wie „keine Armut, gute Ausbildung, Gendergerechtigkeit oder
sauberes Wasser“ fügen keine neue Dimension hinzu. In den einzelnen Bereichen sind die Dinge nur weiter spezifiziert.
Als Hochschule kann man nicht alle Felder bearbeiten, aber man muss alle mitdenken.
Inwieweit sind die 17 Punkte der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie denn in Lehre und Forschung der Hochschule Bochum eingeflossen?
Pautzke: Umfassend. Wir haben den Studiengang nach der Agenda 2030 zwar noch einmal reakkreditiert, aber es wurde nichts Grundsätzliches geändert. Ein Beispiel: Ziel 6 beinhaltet sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen. Wir haben zwar kein Fach, wo wir technisch darüber lehren, wie man sauberes Wasser herstellt. Wenn allerdings ein technischer Prozess betrachtet wird, etwa anhand einer Lebenszyklusanalyse, werden alle Komponenten – auch der Wasserverbrauch – berücksichtigt.
Was war für Sie rückblickend der erste große Erfolg in Sachen Nachhaltigkeit an der HS Bochum?
Pautzke: Die Studiengänge mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit überhaupt zu etablieren! Viele Kolleg*innen waren
skeptisch. Doch im Wintersemester 2013 waren dann die ersten Studierenden da. Meine Strategie war: So schnell
es geht, Studierende in den Studiengang zu bekommen, um Tatsachen zu schaffen. Waren sie einmal hier, konnten
wir sie schließlich nicht mehr nach Hause schicken. Der Plan ist voll aufgegangen.
Heute sind die Nachhaltigkeitsstudiengänge die erfolgreichsten der Hochschule!
Pautzke: Ja, wir sind heute an einem ganz anderen Punkt. Die Nachhaltigkeitsstudiengänge sind tragende Säulen unserer Hochschule und werden überhaupt nicht mehr in Frage gestellt. Die große Interdisziplinarität hat die Fachbereiche näher zusammengebracht. Dadurch setzt man sich automatisch auch mit Gegenargumenten anderer Disziplinen auseinander.
Zehn Jahre gibt es die Studiengänge jetzt bald. Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?
Pautzke: Die wissenschaftliche Vertiefung steht jetzt auf dem Programm. Damit wir auf dem hohen Niveau mithalten
können, sollten wir uns auf bestimmte Gebiete in der Nachhaltigkeit konzentrieren und unsere ganze Kraft hineinstecken. Außerdem muss die Hochschule selbst nachhaltiger werden.